Das Projekt „Human Diary“ ist eine Betra­chtung der Gegenwart aus der Perspektive eines Kindes, das um seine Zukunft bangt: Immer mehr ist mit den Folgen der Umweltzer­störung alles Dasein und am Ende Überleben der Menschen selbst relativiert.

Das absehbare Verhängnis spiegelt sich in der Arbeit in der Biografie des Kindes und dessen famil­iärer Situation wider: Aufgerieben durch häufige Konflikte der Eltern, flüchtet sich das Kind in eine Fantasiewelt, die das Familien­leben in globaler Dimension erscheinen lässt: In der Imagi­nation geraten die privaten Konflikte zu gesellschaftlichen Kontro­versen, die das politische, soziale und ökolo­gische Dilemma der Gegenwart begründen.

Im Projekt ist die kindliche Projektion Ausgangspunkt einer Zukun­fts­fiktion, die in Hochrechnung unserer krisen­geschüt­telten Gegenwart schließlich von den drama­tischen letzten Tagen der Menschheit berichtet. Insze­niert als fiktionale anthro­pol­o­gische Retro­spektive, die den gestal­ter­ischen Rahmen der Instal­lation bildet, formuliert sich dabei ein Kernproblem unseres Handelns: das Streben, ein System lenken zu wollen, das weit stimmiger angelegt ist, als es menschliches Denken erfassen kann: unsere Lebens­grundlage Erde.

Konzep­tionell ist „Human Diary“ eine inter­diszi­plinäre Instal­lation, die sich aus Bewegt­bildern, Fotografien und fiktionalen Artefakten zusam­mensetzt. In ihrem dramatur­gischen Aufbau gleicht sie dem Ablauf eines Spielfilms, der in Form einer immer­siven Ausstellung durch­laufen werden kann. In der Arbeit zeigt sich die menschliche Hybris und anhal­tende Verfehlung am Ökosystem dabei anhand einer Perfor­mance, die in Video­bildern zu sehen ist. Sie vermittelt die fatale Wechsel­wirkung zwischen Menschheitsin­ter­essen und versiegender Erde anhand einer innigen Leiden­schaft des Mädchens, dem Tanz: In der Koordi­nation von Bewegung und Ausdruck und der sich sukzessiv wandelnden Chore­o­graphie formuliert sich Dialog und Kooper­ation zwischen den Menschen, Völkern und Nationen als verbleibende Chance unserer Zukunft auf der Erde.

In der Instal­lation inter­agiert die Perfor­mance mit Aufze­ich­nungen aus dem Tagebuch des Kindes. Die Seiten des Buchs bilden einen Leitfaden durch die Ausstellung und zeigen die Vision des Mädchens gleichsam als Folgeer­scheinung einer Nerven­erkrankung, die durch eine Affek­thandlung des Kindes tragisch endet: Dem Streiten der Eltern entflohen und in ein Auto gerannt, wird das Kind schwer verletzt; verzweifelt ringen seine Eltern um Hilfe. In der Arbeit ist der existen­tielle Augen­blick als Diorama zu sehen. Begutachtet wird es im Instal­la­tion­sraum von Künstlicher Intel­ligenz, die die emotionale Bedeutung der Situation zu erfassen sucht: In Bezug auf das sterbende Mädchen und dessen Liebe zum Tanz beginnt sich die robot­er­hafte Apparatur im Kreis zu drehen und den Eindruck zu vermitteln, sich freuen zu können, zu lachen und zu beherrschen, was vormals Domäne des Kindes war: Die Maschinen scheinen zu tanzen – Emotionen wie Leiden­schaft, Sehnsucht, Liebe, Trost und Trauer zeigen sich als Phänomene einer Vergan­genheit, die von menschlichem Dasein, Handeln, Denken und Glauben geprägt, Gegen­stand einer rückblick­enden Betra­chtung geworden ist…

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